Der Sofortismus und wie er uns heute prägt
Sofortismus, im Duden unauffindbar, genutzt von der FAZ und laut Google ungefähr 14.000 Suchergebnisse. Doch was will ich mit diesen Wort sagen? Nun durch die heutige technologische Entwicklung haben wir es zu verdanken, dass wir Mini-Rechner (alias Smartphones) in der Hosentasche mit uns rumtragen und Computer besitzen, die immer schneller hochfahren und das bei immer komplexeren und mehr werdenden Programmen. Noch vor nicht allzulanger Zeit hätten sich die Leute nicht den Stress gegeben den Rechner hochzufahren um nur mal eben so kurz ihre E-Mails zu prüfen, heute reicht ein Blick auf sein Smartphone und Tablet, dass sich gemütlich im Bett oder auf dem Sofa bedienen lässt.
Man kann nicht sagen damals war alles besser oder heute ist alles besser. Was ich bemerkt habe: Mit der Möglichkeit schneller und einfacher Nachrichten, Recherchen oder sonstigen zu tätigen. Mal so eben auf Facebook ein Bild hochzuladen oder einen Tweet zu veröffentlichen, neigen wir immer mehr zu einen sogenannten Sofortismus. Wir wollen Informationen und Nachrichten in Echtzeit, ein Ladebalken empfinden wir als nervig und selbst dann wenn die Ladezeit mal nur 2 Sekunden dauert. Man merkt außerdem im Netz, längere Texte scheinen nicht mehr so oft zu exestieren. Die Menschen wollen alles kurz, knapp und prägnant, müssen jedoch für detailierte Informationen dann dennoch die Suchmaschine ihres Vertrauens aufsuchen oder schweigen in ihrer Unwissenheit.
Für einen Tweet hat man 140 Zeichen, dass reicht grade mal für ein kurzes Statement und einen Link. Klickt man auf jenen Link und wenn ein Text mit mehr als 200 Wörter erscheint, dann resignieren die meisten Leute den Text oder lesen nur bruchartig ein/zwei Wörter. „Quält man sich den Text durch“ und es gefällt einem so „liked“, teilt oder „Copy und Pasted“ ihn. Kommentieren, diskutieren, argumentieren ist ja meist viel zu anstrengend man müsse dazu ja auf der Tastatur rumtippen und man überlegt sich erst recht wenn da ein Anti-Statement-Fuzi dein eigenes Stellung zu vernichten versucht. Nur Intellektuellere, Nerds und sogenannte Internetmenschen ringen sich als einzige dennoch dann durch um mitzumischen. Die große Masse schweigt leider.
Was sich sozusagen im Internet oder vielmehr auf Facebook entwickelt hat, nenne ich Sofortismus. Man möchte schnell wissen wer was wo wann wie macht und alles was älter als ein Tag ist und über 200 Zeichen hinausgeht, interessiert in der Regel keinen mehr. Der Sofortismus geht sogar so weit, dass man es fast schon manchmal es als einen Futurismus bezeichnen sollte. Man will Kinofilme vor dem Kinostart sehen, man schaut sich seine Lieblinsserie auf Englisch mit Deutschen Untertitel an, weil man verdammt nochmal nicht auf die Veröffentlichung abwarten kann. Es gibt Leute die würden sich nur ein anderes Smartphone kaufen, weil da die App XYZ schneller läuft, dieses aber technisch minderwertiger ist. Die Leute wollen schnelleres Internet, weil die Webseite länger als einen Augenblick beim Seitenaufbau benötigt und wenn mal was nicht klappt, weil bspw. der Server Mist gebaut hat, so geht man mit gesenkten Haupt davon, denn nochmals probieren will mans ja nicht, denn „es würde ja das gleiche dabei herauskommen.“
Hinzukommt: Leute holen sich aus dem Internet Programme oder kaufen Zeitschriften, die versprechen ihren PC blitzschnell zu machen, dass es aber technische Grenzen gibt und dass solche Programme lediglich 1 – 2 Sekunden (wenn nicht noch weniger) mehr Performance bringen hat natürlich zuvor niemand erwähnt. Manchmal zerstören solche Programme mehr als, dass sie die alte Kiste aufmotzen würden.(Ich vergleich das gerne mit Autos. Ein Wagen wird nicht schneller er bleibt immer gleich, er ist lediglich vom Ladezustand abhängig und neuere Wägen sind halt nun mal schneller.)
Die Leute wollen Ergebnisse bevor sie überhaupt realisieren, dass sie das Suchen wollten. Wieso soll man was selbst nachgehen oder forschen, wenn es nicht zufällig schon jemand im Internet längst getan hat. Warum die unverständliche Pflichtlektüre in der Schule lesen, wenn es doch im Internet bereits die Kurzzusammenfassung mit allen Erklärungen und Zusatzinfos gibt.
Es hat zwar Vorteile, dass man nun schnell mal was kurz nachschauen kann, seinen Freund auf der anderen Seite der Erdkugel eine Nachricht zukommen lässt oder bei gewissen Sachen sich einfach die Zeit spart. Doch dieser immer mehr zunehmende Sofortismus (u.a.) in Facebook bildet eine Generation von hirnlosen Zombies aus mit dem Konzept: Erst posten, dann denken. Obwohl manchmal erscheint es mir, dass hin und wieder das Denken bereits wegfällt, einfach nur Posten um Likes und Kommis zu sammeln. Den Abschickknopf kann man dabei als etwas vollendetes, etwas „nicht mehr rückgängigmachbares“ ansehen. Eine Art sich selbst gestelltes Ultimatum im Internet. Die Zeitspanne zwischen Abschicken und wieder löschen ist für das Internet genug Zeit, dass 10.000 der Refresh-Tastensüchtigen Leute diesen Post zu Gesicht bekommen und jeder weiß, dass man ein gesehnes Bild nicht mehr ungesehen machen kann. Als Beispiel sind viele Firmen, Leute und vor allem Bundestagsabgeordnete dem Zeitgeist in das Internet gefolgt und wollten euphorisch mitmachen. Leider drückten sich vor allem in der Anfangsphase manche falsch aus oder können bis heute damit nicht richtig umgehen, sprechen die falsche Audienz auf der falschen Plattform an, usw. usw.
Wie Sascha Lobo auf der Re:Publica 2012 sagte:
“Inzwischen twittert irgendwie jeder Bundestagsabgeordnete: „Hilfe! Ich bin in einem Shitstorm!“ Wenn jemand mit einem bunten Profilbild etwas zu ruppig nach der Uhrzeit fragt.” – Sascha Lobo
Was ich damit sagen möchte ist: Man findet im Netz immer weniger werdende qualitativ hochwertige Inhalte, die über 400 Seiten rausgehen. Bücher werden abgelöst von Ebooks, aber irgendwie bleibt der Ebook-Boom wegen dem Sofortismus aus. Auf Facebook tummeln sich Informationen wie: „Es gibt Pizza zum Mittagessen heute!“ oder „War grad auf dem Klo…“, wo unter 100 Posts von sinnfreien Inhalten ein gut und präzise formulierten, für die Welt interessanten und wissenswerten Post untergeht, weil alle ihren Mist dazu geben und ihre Bestätigung und sozial Akzeptanz an der Anzahl der erhaltenen Likes messen. Eine neue Staffel einer Serie ist mittlerweile veraltet, da sie jeder auf Englisch gesehen hat und ein Rechner der mehr als 2 sec zum Hochfahren benötigt ist per Definition des Sofortismus extrem langsam. Die Intellektualität des Internets bleibt somit den Bloggern, Foren und den Leuten die sich Zeit lassen vorbehalten. Was gut oder schlecht ist wird von der Masse nicht an dem was etwas kann gemessen, sondern an dessen Geschwindigkeit.
Nachtrag: Blogs und andere schriftliche Arten von Texten im Internet
Ohne diesen Nachtrag würden sich einige wundern warum ich behaupte, dass wenn man sich Zeit lässt bessere Ergebnisse im Internet erzielt werden. Als Beispiel nehme ich hier meinen Blog. Im Gegensatz zu Twitter und einer Facebook-Meldung benötige ich:
- mehr Zeit
- sehr viel Überlegung und Planung
Selbst wenn ich ein Konzept von einem Thema habe so kommen mir immer mehr und neue Ideen während ich einen Text schreibe, beim erneuten Lesen fallen mir an ein, zwei Stellen was bessere Argumente und Sätze ein und somit ist der Text den ich am Schluss abschicke eine wohlüberlegte Zusammenfassung meiner Gedankengänge. Diese Schritte sind auf allen Plattformen mit längeren Texten anzufinden und bieten wertvolle Ideen und Gedanken, die jeder dann wiederverwenden kann oder einfach nur mal sammelt um sie bei bspw. einer Podiumsdiskussion dann wiederzuverwenden.